
Bei den Blumen
Ein Slowflower Feld entsteht
Anna Schumann im Gespräch mit Emma Auerbach
Mein Zuhause umfasst einen wunderbaren Garten mit Obstbäumen groß und klein, vielen Rosen, wilden Ecken und Gemüsebeeten. Obwohl ich viel blühende Pracht direkt vor meinen Fenstern habe und mich oft gar nicht satt sehen kann, pflücken meine Kinder und ich ab und an Blumensträuße für ein bisschen blühendes Bunt auf dem Küchentisch. Freust du dich auch über einen bunten Blumengruß für dein Zuhause oder gönnst dir ein paar Blumen für die Seele?
Was ein Blumenkauf mit Nachhaltigkeit zu tun hat und wie ein enkeltauglicher Blumenanbau funktioniert, darüber erzählt uns Emma Auerbach im Porträt der neuen SAFTIG Ausgabe Farbgefühle. Aus der Not heraus lässt sie in diesem Jahr ihr nachhaltiges Blumenfeld in Dresden entstehen. Emma spricht von ihren Herausforderungen, wie sie zur Slow Flower Bewegung gefunden hat und was sie mit ihrem enkeltauglichen Blumenanbau bewirken will.
Die Suche nach der Nadel im Blumenfeld
Ursprünglich wollte Emma Auerbach eine Floristik Ausbildung absolvieren. Aber sie hat schnell gemerkt, dass die Inhalte mit ihren Werten und Vorstellungen von Nachhaltigkeit und klimafreundlichen Wirtschaften nicht übereinkommen. „Dann muss ich einen nachhaltigen Betrieb finden, bei dem ich das Wissen erlernen kann. Aber ich habe keinen gefunden. Inzwischen gibt es solche Betriebe für Gemüseanbau, Kräuter und mehr. Doch für Blumen ist die nachhaltige Richtung oder gar eine Biozertifizierung Mangelware.“ erzählt Emma. „Ich bin dann eher durch Zufall über einen Workshop, den ich meiner Mama geschenkt hatte auf die Slowflower Bewegung aufmerksam geworden.“
Der besagte Workshop fand in Leipzig bei Erna Primula statt. Die Inhaberin des Blumen Studios ist die Landschaftsarchitektin Chantal Remmert. Seit 2018 baut sie ihre Slowflowers selbst. Im Jahr 2020 ging sie einen Schritt weiter und produziert seitdem ihr eigenes Slowflower-Saatgut. In ihren Workshops und Büchern gibt sie ihr Wissen über den nachhaltigen Anbau von Schnittblumen weiter.
„Bei Chantal habe ich das erste Mal gesehen, dass es doch Menschen gibt, die Blumen regional und nachhaltig anbauen. Das war mein Wow-Moment. Davor wusste ich nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Ich hatte immer nur große Gewächshäuser und Monokulturen vor Augen. Dann bin ich dort Mitglied geworden und dachte mir, dass es irgendwann in meiner Region so etwas geben wird.“ Mit so etwas meint Emma den nachhaltigen Anbau von Schnittblumen, der durch die Slowflower Bewegung und sein Mitglieder eine Vernetzung und Verbreitung erfährt. Kurz gesagt ist eine Slowflower regional, saisonal und nachhaltig gewachsen.
Mehr zur Slowflower Bewegung erfährst du im nächsten Artikel.

Der Quereinstieg
Emma wartete, aber es passierte nichts. Kein nachhaltiges Blumenfeld in der Region Dresden war in Sicht. Irgendwann kam sie an den Punkt, an dem sie sich bereits einiges Wissen angeeignet hatte. Durch die Mitglieder der Slowflower Bewegung stand sie seit längerem mit ihren Vorbildern in direktem Kontakt. Durch dieses Netzwerk hatte sie Quereinsteiger kennengelernt und sah, dass auch hier der nachhaltige Anbau funktionierte. „An diesem Punkt habe ich beschlossen, dass die Person, die das hier anfängt, ich sein muss. Das war die innerliche Geburtsstunde von Bei den Blumen.“ strahlt Emma begeistert.
Die Suche nach dem richtigen Stück Land gestaltete sich als langwierig. Letztes Jahr im Herbst fanden sich dann endlich 2.300 qm für den Bio-Acker. Das gab auch den Startschuss einer Crowdfunding Kampagne auf Startnext, die Emma erfolgreich abschließen konnte. Der Grundstein einer Community, welche dem Projekt den Rücken stärkt und die ersten großen Investitionen deckt, war gelegt.
Ab ins Beet
Seit diesem Frühjahr geht es rund bei den Blumen. Ein Gewächshause wurde aufgebaut. Die Anzucht der Blumen gestartet. Viele Beete angelegt. Zaun gesetzt. Die ersten Pflanzen raus gesetzt. „Da wird’s dann richtig praktisch und ich kann mir jetzt endlich die Hände dreckig machen. Denn bis Mitte April hat der größte Teil der Arbeit am Schreibtisch stattgefunden. Das ist natürlich parallel immer noch existent. Natürlich versuche ich die Menschen auf Social Media mitzunehmen. Die Webseite entsteht gerade. Dann gibt es die erste Bio-Kontrolle, denn Bei den Blumen wird biozertifiziert sein. Und vieles mehr.“ freut sich Emma über den praktischen Start ihres Slowflower Feldes.


Über 250 verschiedene Sorten
Die engagierte Quereinsteigerin mit den lächelnden Augen konnte sich einfach nicht entscheiden. Schließlich muss im ersten Jahr ihres Bio-Ackers fleißig getestet werden: „Ich werde mal probieren, was an diesem Standort alles gedeiht und auch ein bisschen darauf schauen, was die Leute kaufen. Über 250 verschiedene Sorten habe ich mir ausgesucht. Eine riesige Auswahl. Bei der Farbwahl ist mir aufgefallen, dass ich eine Farbrichtung persönlich sehr mag. Einfach weil sie unglaublich vielseitig ist und weil ich sie einfach sehr schön finde. Pastelltöne, vor allem zwischen Lila und Aprikot. Ich glaube das lässt sich mit allem kombinieren. Sowohl etwas ruhiges, pastelliges, zurückhaltendes damit kreieren, als auch mit knalligen Farbtupfern kombinieren. Es wirkt immer schön. Bei dieser großen Anzahl an Sorten die ich habe findet sich natürlich für jeden etwas. Es reicht von einem ganz satten dunklem Rot und Blau über Gelb und Orange und mehr.“ verrät Emma. Ihr Ziel ist es, dass in jeder Woche eine wunderschöne Farb- und Blumenkombination auf ihrem Feld zu finden ist, die gleichzeitig verschiedenste Geschmäcker bedient.

Rund ums Jahr Bei den Blumen
In der Zeit des Suchens und Wartens gründete Emma Auerbach vor ein paar Jahren ein kleines Unternehmen, das Kreationen aus Trockenblumen herstellt und über einen kleinen Shop verkauft. Dies ist die perfekte Ergänzung für ihr saisonales Slowflower Feld. Natürlich wird ab jetzt der Bedarf an Trockenblumen am eigenen Acker gedeihen. Ich frage, wie sie ihre Blumen unter die Leute bringen möchte. „Es gibt verschiedene Absatzwege, die ich ausprobieren werde. Ich habe einige Anfragen von Florist:innen hier aus Dresden, die sehr gerne nachhaltige Blumen anbieten möchten. Direktvermarktung ist ein großes Ziel. Einfach weil ich glaube, dass es wichtig und gut ist, wenn die Menschen ein Bewusstsein dafür bekommen, was hinter einer Schnittblume und dem damit verbundenen Anbau steckt. Und weil ich mir wünsche, dass an diesem Punkt mehr Aufklärung passiert. Ich denke, der schönste und direkteste Weg ist, wenn die Menschen vor Ort sehen wie ein Slowflower Feld aussieht und gedeiht. Und gleichzeitig wird darüber informiert, dass die meisten herkömmlichen Schnittblumen eine lange Reise hinter sich haben. Sowohl Ausbeutung, höchsten Wasser- und Energieverbrauch und viele weitere Probleme mit sich bringen. Das man wieder ein bisschen in die Wertschätzung kommt. Deshalb wird es einen Selbstbedienungsstand geben. Man kann selbst Blumen pflücken. Workshops sind für die Zukunft angedacht. Mal sehen was meinen Kunden und mir in diesem Jahr am meisten Freude macht.“ schildert Emma.
Eine große Herausforderung, die sie für sich sieht, ist die Einschätzung wie die verschiedenen Aspekte von Bei den Blumen zusammenspielen. Ob in der praktischen Umsetzung des Feldes oder in der finanziellen Aufstellung. Vieles passiert intuitiv:
„Ich bin offen dafür, wie sich alles entwickelt. Es gibt keinen starren Plan, der besagt, in fünf Jahren muss ich genau dastehen. Sondern es darf gemeinsam mit mir, meinem Können und meinen Wünschen wachsen. Ich habe Bei den Blumen gegründet, weil es mir ein Bedürfnis ist, diese Art von Blumen hier in der Region wachsen zu lassen.“
Inspirierender Austausch
Vereinzelt scheinen Slowflower Mitgliedsbetriebe in ihrer Umgebung auf. Es werden immer mehr. Über einen weiteren Betrieb würde sich Emma freuen. Konkurrenz sieht sie darin keine. Zum einen ist die Nachfrage groß und zum anderen hofft sie, dass sie selbst einmal ein Vorbild sein kann und andere Menschen Lust haben ins nachhaltige Blumenbeet zu steigen. Nach meinem Empfinden und dem was ich über und von Emma erfahren habe, ist sie bereits ein Vorbild. Mit ihrer stetigen Neugier und ihrem Mut einfach das anzupacken, wovon sie überzeugt ist und was sie liebt, macht sie nicht nur ihren Acker bunt. Sondern sie bringt auch viel nachhaltiges Lebensgefühl an alle Menschen heran, die auf ihre laufenden Erfahrungsberichte auf @beidenblumen aufmerksam werden. Voller Freude erzählt sie in Bildern und Worten von der Entstehung ihres Slowflower Feldes. Beherzt, persönlich, authentisch.
Für dieses Jahr wünscht sich die Blumenbäuerin, dass es ihr das Wetter nicht ganz so schwer macht: „Das ist ein Faktor, vor dem ich großen Respekt habe. Umso mehr, da ich gerade meine ersten Erfahrungen in dieser Größenordnung der Landwirtschaft mache. Einen angenehmen, guten ersten Sommer, das wünsche ich mir.“
Wir drücken ihr die Daumen und freuen uns, die Entstehung des wunderbaren Slowflower Feldes mitverfolgen zu dürfen.
Du willst wissen wie es bei Bei den Blumen weiter geht?
Folge Emma auf ihrem Instagramkanal: Bei den Blumen

[Erschienen in der SAFTIG Ausgabe 2023: FARBGEFLÜSTER]
Foto © Julelilalu [Titelbild, Bild 1,2,3], Emma Auerbach [Bild 4 & 5]
Text © Anna Schumann im Gespräch mit Emma Auerbach
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