
Sensorisches Gedächtnis
Wenn wir mit Nase und Gaumen schmecken, kramt unser Hirn nach bereits Erlebtem. Es stellt sich die Frage, ob es diesen Geschmack kennt. Dann wird verglichen. Ping! Wird auf etwas vergleichbares gestossen, verbindet sich unser Geschmackseindruck mit Wort und Bild. In wenigen Sekunden fällt dir der Name einer assoziierten Frucht für den spritzig frischen Welschriesling ein, der sich gerade in deinen Gaumen ergießt. Oder deine Gehirnzellen senden dir visuelle Eindrücke von einem Ort, der mit diesem Geschmack abgespeichert ist. Es lebe das Kopfkino!
Bei Wein fällt es uns gefühlt leichter Assoziationen hervorzurufen. Wir zelebrieren beim Genuss des Rebsaftes das Erlebnis mit allen Sinnen. Wir erlauben uns den Alltag auszublenden. Ganz bewusst zu schmecken. Auch die Antwort auf die Frage „Und wie schmeckt’s?“, kann in der vinophilen Welt extrem ausführlich ausfallen. Ja, es könnte ganze Bücher füllen. Tut es auch. Und warum? Weil wir uns diesen Wortschatz angeeignet haben, um das was wir schmecken greifbar zu machen.
Müssen wir das? Definitv nicht. Aber es macht Spaß!
Probier es aus
Schnapp dir ein Glas. Fülle es mit etwas beliebig Flüssigem. Halte dir die Nase zu und koste. Schmeckst du etwas? Jetzt führe das Glas an deine Nase. Was riechst du? Schwenke das Glas und lass es Kreisen. Die Luft öffnet Türen zu mehr Aromen. Rieche noch einmal. Und? Anders? Jetzt koste. Lass den Inhalt langsam in deinen Gaumen gleiten. Spüre die Konsistenz – die Dichte. Was schmeckst du?
Woran erinnert es dich?
[Erschienen in der SAFTIG Ausgabe: GESCHMACKSSACHE]
Fotos © Michaela Grabner von Salon Deluxe Graz
Text © Anna Schumann
gelesen von Heidi Klug

Sensorisches Gedächtnis

Ähnliche Artikel
Ähnlich
Holz macht Hirn
Volker Busch ist Neurowissenschaftler, Arzt und Therapeut. Für Saftig schreibt er über die Wirkung von Wald und Holz auf Geist und Gehirn.
Die Stunde der Wintervögel
Die Stunde der Wintervögel In unserem Garten gibt es ein paar zwitschernde Dauergäste: Amseln. Seit Jahren begleiten sie uns durch die Jahreszeiten. Manchmal unterhalte ich mich mit ihnen. Zumindest...
Die Slowflower Bewegung
Slow – Langsam. Ein Wort, das ich oft genug meinen Kindern nachrufe, wenn sie mit Roller oder Laufrad den Hügel runter brettern. Um uns zu entschleunigen, nutze ich die blumige Vielfalt am Wegesrand.