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Kuschelige Wolle
Vom Schaf zum Wollpullover
Schön verpackt in einen dicken Pullover aus Wolle: So lässt es sich gemütlich in den Frühling spazieren. Denn die Naturfaser Wolle ist ein Multitalent in Sachen Tragekomfort und mehr. Wie lange wir Menschen Wolle bereits nutzen, wie die Naturfaser verarbeitet wird und warum es wichtig ist, ganz genau auf das Tierwohl zu schauen, erfährst du in diesem Artikel.
Die Geschichte der Schafwolle
Das heutige Wollschaf stammt vom sogenannten Mufflon ab. Das Mufflon ist ein Wildschaf, das die wenige Wolle, die es hatte, im Frühling abwarf. Ganz so, wie die meisten Tiere ihr wärmendes Winterfell verlieren und zu Haaren beginnen. Erst als der Mensch begann, Schafe als Nutztier zu halten, entwickelte sich langsam das heutige Wollschaf.
Archäologischen Forschungen zu Folge nimmt man den Ursprung der Domestizierung von Schafen etwa 8000 vor Christus in Vorderasien an. Durch die Haltung der wilden Tiere veränderte sich auch die Beschaffenheit ihres Haarkleides. Die groben Oberhaare wurden von immer länger und dichter werdenden Unterhaaren überwachsen. Die Farbe des Fells wurde durch Züchtung verändert und mit der Züchtung verschwand der übliche Fellverlust im Frühling. Seitdem ist eine Schur der Schafe notwendig, um den wertvollen Rohstoff zu verarbeiten.
Bereits 2000 vor Christus galt Wolle als eine der wichtigsten Textilfasern. Die Verwendung von Wolle verbreitete sich im Laufe der Jahrhunderte auf andere Teile der Welt, einschließlich Europa, Asien und Afrika. In der Antike spielte die Wollproduktion in vielen Kulturen, insbesondere in der griechischen und römischen Kultur eine wichtige Rolle. Wolle war ein wichtiger Handelsartikel und fand Verwendung in Kleidung, Decken und andere Textilien. In Europa entwickelte sich ab dem 13. Jahrhundert eine handwerklich organisierte Wollindustrie. Es war der erste Schritt Richtung Industrialisierung.
Damals wurde das Königreich Spanien aufgrund idealer geografischer Bedingungen und dem Vorsatz, bestmögliche Wollqualität zu liefern zum Zentrum der Schafzucht. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich eine einzigartige Kultur rund um die Zucht der Tiere. Die Schäfer und Züchter spezialisierten sich besonders auf die Rassen der Merinoschafe. Historiker vermuten, dass diese Schafe im 8. Jahrhundert von den Berbern aus Marokko mitgebracht wurden. Die besonders feine und hochwertige Wolle wurde lange Zeit nur in Spanien hervorgebracht, da der König die Ausfuhr der Zuchttiere bei Todesstrafe bis ins 18. Jahrhundert hinein verbot. Nach dem Fall des Ausfuhrverbots verbreitete sich das Merinoschaf rasch auf der ganzen Welt.
In Deutschland begann der Aufschwung der Schafzucht und Wollproduktion erst im 19. Jahrhundert. Dafür wuchs die Anzahl der Tiere in wenigen Jahrzehnten rasant auf 30 Millionen. Auch in Österreich begann man zu dieser Zeit mit gezielter Schafzucht. Aufgrund der sehr unterschiedlichen landschaftlichen Regionen entstanden verschiedene österreichische Schafrassen wie das Waldschaf, das Tiroler Bergschaf oder das Juraschaf.
Mit dem Beginn der Dampfschifffahrt wurde Wolle aus Australien und Neuseeland günstig nach Europa importiert. Baumwolle und die Erfindung der Kunstfaser machten die Herstellung von Kleidung immer billiger. Die Schafhaltung für Wolle war im großen Stil nicht mehr wettbewerbsfähig.
Heutzutage spielt die Schafzucht in Österreich und Deutschland vor allem eine Rolle in der Landschaftspflege und im Tourismus. In Österreich tummeln sich noch etwa 400.000 Schafe und pflegen unter anderem die Almen. Deutschland hat mit 1,2 Millionen Schafen einen wichtigen, landschaftlich pflegenden Agrarteil. Viele Naturschutzgebiete sind durch Schafe entstanden und werden heute durch Schafe gepflegt.
Wollpullover und Co. feiern seit den 70ern ein Revival. In jeder Generation hat sich eine ganz eigene Art des Wolltrends entwickelt. Die wertvolle Naturfaser wurde zwar in der Masse durch Baumwolle und Kunstfaser ersetzt, doch hält sie sich als talentierter natürlicher Rohstoff präsent und findet immer wieder Einzug in Kleiderschrank, Wohnzimmer und Fassadendämmung.
Schöne Wolle von glücklichen Schafen
Klingt romantisch? Dieses Credo sollte das Motto beim Kauf von Wollprodukten sein. Denn nicht jede Schafhaltung dient dem Tierwohl. Dabei sind Schafe anspruchslos in der Haltung, sozial und suchen sich ihr Futter selbst. Doch wenn der Mensch eingreift, führt dies sichtbar zu übertriebener Züchtung. Das Merinoschaf wurde im Laufe der Zeit immer mehr zu einer wahren Wollkugel. Mehr Wolle, mehr Profit. Bei den Tieren entstanden dadurch starke Hautfalten. Diese nutzt die Schmeißfliege in Ländern wie Australien, um ihre Larven darin abzulegen. Bevorzugt in den Hautfalten am Gesäß der Tiere. Viele Schaffarmer wollen dies durch das sogenannte Mulesing verhindern.
Bei diesem umstrittenen Verfahren wird den Tieren ein Teil der Haut mit einer Schere oder einem Skalpell entfernt, um eine glatte und haarlose Fläche zu schaffen. Meist passiert dies ohne Betäubung. In einigen Ländern ist Mulesing bereits verboten. Die Schafindustrie bemüht sich um Alternativen, um das Risiko eines Fliegenbefalls zu reduzieren.
Wie kannst du als Wolle liebender Konsument das Tierwohl beim Kauf in den Vordergrund rücken? Tierschutzorganisationen und Textilbranche empfehlen, auf bestimmte Siegel zu achten, die am Etikett des Kleidungsstücks ersichtlich sind. Das strengste Bio-Siegel, welches international Anwendung findet, ist GOTS – Global Organic Textile Standard. Weiters gibt es das RWS – Responsible Wool Standard, das explizit für Tierschutz einsteht. Und das Naturtextil Best Siegel des Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft. Mit deinem Blick für das Wesentliche hast du es in der Hand! Aber wie genau wird jetzt aus der Wolle dein Lieblingspullover?
Von der Schur bis zum Pullover aus Wolle
Der erste Schritt: die Schur. Das Schaf wird geschoren, um die Wolle zu entfernen. Ursprünglich wurde dies mit der Handschere bewältigt. Heute gibt es elektrische Hand-Schermaschinen. Die Schur eines Schafes dauert nur wenige Minuten. Es gibt weltweit mehrere Championships, bei denen sich die Profis an Geschwindigkeit und Vlies-Qualität messen.
Danach folgt die Sortierung. Die Wolle wird sortiert, um sicherzustellen, dass sie gleichmäßig und von guter Qualität ist. Dazu zählt auch das Zupfen. Hier werden Holzstücke und pflanzliche Reste sowie kurze Fasern entfernt. Würden die kurzen Fasern in der Wolle verbleiben, würde es das Spinnen erschweren.
Anschließend wird die Wolle gereinigt, um Schmutz, Schafwachs und andere Verunreinigungen zu entfernen. Zuerst in kaltem Wasser eingeweicht. Dann in über 40 Grad heißem Wasser gewaschen.
Nächster Schritt: die Kardierung. Die Wolle wird kardiert, um sie zu entwirren und zu lockern. Die einzelnen Fasern werden voneinander getrennt, liegen nach dem Prozess parallel zueinander und es entsteht eine weiche, aufgelockerte Wolle, die sich leicht zu einem feinen Garn spinnen lässt.
Die Wolle wird in Fäden oder Garne gesponnen, um sie weiter zu verarbeiten. Bei Bedarf und nach Belieben wird gefärbt. Ab jetzt wird gewebt, gestrickt und gehäkelt was das Zeug hält.
So entsteht dein Lieblingsstück.
Warum die eine Wolle etwas kratzig ist und die andere kuschelweich, erklären wir dir in unserer Materialkunde.
[Erschienen in der SAFTIG Ausgabe: SCHÖN VERPACKT]
Foto © Julian Schiemann
Text © Anna Schumann
Gesprochen von Heidi Klug
Dieser Artikel ist hörbar.


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